Freitag, 6. Mai 2016

R.I.P. Johannes Bauer

R.I.P. Johannes Bauer.
I will never forget the fantastic duo we played at Ausland and this interview with Tobias Herold:
 
 
J
Muß man nichts dazu sagen, oder?
(beide lachen)

T
Ihr fandet das gelungen, oder, das Stück?

c
Ja, also ich mein, live zu spielen und das dort zu hören ist natürllich viel aufregender als es jetzt hier so halbgut aufgenommen zu hören, aber, sozusagen, es dient als erinnerungsstütze natürlich, ich kann mich dann wieder erinnern, wie es wirklich war, ich hör das und weiß, wie es wirklich geklungen hat. das könnte man sozusagen jemandem jetzt vorspielen, der nicht dabei war , mag sein, dass das dem trotzdem noch gefällt, aber es ist nicht das, wie man es dort gesehen hat.

j
das betrifft eigentlich jede aufnahme, oder?

c
naja, es gibt aufnahmen, die sind wenigstens, sozusagen, die geben wenigstens wieder, frequenzmäßig, was gespielt wurde, da geht jetzt viel verloren, viel detail auch, eigentlich (j: ja)

T
was würdest du sagen, an was erinnerst du dich da, also wie stellt sich das, so, platt, in deinem kopf dar, wenn du dich erinnerst – erinnerst du dich genau, was du genau gemacht hast am laptop, oder erinnerst du dich an eine empfindung…,

c
nee, ich erinner mich an die situation, sozusagen, an mein erstes zusammentreffen mit dem johannes und ich erinner mich, wies mir dabei gegangen ist, ich kann mich jetzt nicht an handbewegungen oder so etwas erinnern, aber ich konnte auch sozusagen bevor ich die aufnahme jetzt nochmal gehört hab, mich an gewisse dinge erinnern, also generell konnt ich mich an eine stimmung erinnern, auch nicht nur meine stimmung, sondern die stimmung im raum, die auch sehr speziell war, meiner meinung nach, aber ich konnt mich eben auch an ganz bestimmte kombinationen erinnern, die passiert sind.

j
geht mir genauso. an die raumatmospäre konnt ich mich als allererstes erinnern, an die situation. ich hatts viel länger in erinnerung, seltsamerweise

c
ich hab auch gedacht, wir hätten zumindest 16 minuten gespielt
zwölfeinhalb warens, oder?

t
wenn ihr beide sagt, ihr könnt euch ganz besonders an die atmosphäre, an die stimmung ewrinnern- welche nuancen hatte das, wie würdet ihr das beschreiben?

J
Das ist schwer zu beschreiben. Da spielt ne Menge ne Rolle. Erstens Raumklang ist etwas, woran ich mich immer gut erinnern kann, ich mag räume – ich spiele ungern im freien. räume sind etwas wichtiges, wie sie klingen – und dann ist die atmospäre, mit dem publikum hat das viel zu tun, ich spiele Musik für Publikum, und es gibt immer dieses miteinander, eine spezielle Atmosphäre, die kann man auf keinem Band der Welt festhalten, die gibt es nur zu erleben, wenn man dabei ist.

c
genau.

m
ja, also, ich wollte fragen, wie es gekommen ist zu dieser kollaboration bei dem festival, es war euer erstes zusammenspiel, und ja, also, war das voll improvisiert, gab es proben vorher,
absprachen, oder…

j
Nein, wir reden wirklich nicht über Musik, nie, und schon gar nicht vorher (lacht). nein, gar nicht

c
Nein. Wir haben uns ein paarmal schon seit ich in Berlin lebe, was jetzt auch schon ein paar Jahre ist, getroffen und immer wieder gesagt, machen wir doch mal was gemeinsames, das hat nie hingehauen, es hat auch seither nicht mehr hingehauen, aber an dem abend war es einfach so, dass wir beide da waren mit unseren instrumenten und dann wurde sozusagen gesagt, wer spielt mit wem heute abend, und ich weiß nicht wer, irgendwer hat uns dann eingeteilt, vielleicht, es kann sein, daß ich es selber war, aber ich glaub fast nicht, weil, ich denk, dass der clayton an dem abend das programm erstellt hat, jedenfalls war halt ein pool, es war drei tage festival mit einem pool von musikern jedemn abend und da ist quasi verlost worden, oder auch gefragt worden, wer möchte denn mit wem spielen und so weiter

m
also, gar keine vorbereitung..

c
nein, nichts.

j
nein

c
wobei meine vorbereitung in wirklichkeit die ist, dass ich seit den achtziger jahren ein großer fan vom johannes bin, war und bin, und meine vorbereitung war in wirklichkeit die, dass ich, ich weiß nicht, dass ich zwanzig jahre lang zu seinen konzerten gegangen bin und   gehört hab und von daher natürlich auch so etwas wie seine sprache erfahren hab und das ist die eigentliche vorbereitung. das ist der unterschied zu, was ja auch immer wieder passiert, daß man sich mit wem hinsetzt, den man überhaupt gar nicht kennt und, was ich aber auch inzwischen… also, eine zeit lang hab ich das aufregend gefunden, inzwischen muß ich sagen, mach ich das fast ungern, weil meine intention nicht die ist, meine intention ist sozusagen, was weiterzubringen mit jemandem, und nicht auf der bühne zu schauen, ob ich mich mit jemandem verstehe, das würd ich gern zuvor erledigen und dann wissen, ob ich mit der oder dem auf die bühne gehen will, als auf der bühne aufeinanderzutreffen – das ist halt aber seit 10, 15 jahren so eine macke der veranstalter.innen, das sie dauernd weltpremieren wollen von irgendwelchen leuten, die sich noch nie gesehen haben in ihrem leben und eine zeitlang hab ich da auch mitgespielt, aber jetzt hab ich eigentlich die meiste zeit diese dinge auch abgesagt.

t
regelrecht also so im sinne von spektakel, wow, jetzt spielen zum ersten mal x und y zusammen…

c
ja, also, der mit dem, die kennen sich nicht, die haben keine ahnung voneinander, jetzt spielen sie und deswegen ist das hier die welturaufführung von irgendwas, was dann oft auch mißlingt, kann natürlich auch gutgehen –

j
ich finds schon spannend, also, es gehört für mich auch dazu, ja, die erste begegnung mit leuten, und das auf der bühne zu tun und nicht irgendwo – das find ich schon spannend, neben der schiene, wo man natürlich mit leuten, mit denen man lange zusammenarbeitet, auch etwas entwickelt über die jahre, beide varianten gehen für mich. und, ich hab dich kaum gehört in all den jahren, die wir uns kennen (c:ja, ja… ich weiß-), ich hab dich glaub ich ein einziges mal gehört, oder zwei dreimal, so vielleicht, ja – und oft auch mit anderen elektronikern, wo man nicht richtig weiß (lacht)

c
wo man nicht richtig weiß, wer was…

J
…und man sieht ja auch nichts und, ja – für mich ist das OK, das erste mal, öffentlich.

m
für mich ist immer interessant, wie dann die leute, die sich gar nicht, kennen, oder, die nie zusammen gespielt haben, oder, die keine stücke vorbereitet haben, wie entwickelt sich dann dieses stück – es ist schon irgendwie…

j
naja, nun haben wir  vermutlich ne ähnliche musikalische erziehung hinter uns, allein dadurch, dass wir hier so in mitteleuropa leben und äh durch musikhören seit kindheit an entsteht schon so etwas wie ein gemeinsames formgefühl, ob wir wollen oder nicht, und wir haben  schon eine idee von musikalischen formen, die bestimmt nicht so weit voneinander weg ist. das fällt mir immer deutlich auf, wenn ich mit japanern spiele, die plötzlich ganz anders denken, ja, in ihrem formverhalten oder auch amerikanische musiker, die vom jazz kommen, haben ein anderes formverhalten – aber wir in mitteleuropa, wir verstehen uns komischerweise alle sehr gut in diesem formalen verhalten – ich meine, es >entsteht form, das ist improvisation, aber es entsteht immer ein stück wie dieses, das einen anfang hat und ein ende, und in dem bestimmte dinge passieren, die auch wiederkommen, das hört man ja auch sehr deutlich, wir benutzen bestimmte materialien in regelmäßigen… die immer wieder auftauchen, und dann verändern… das hat was mit unserer tradition zu tun.

c
was auch durchaus etwas gefährliches hat, finde ich, weil man sozusagen bei allem, was beginnt mit free jazz, das hats schon im begriff, das freie, und dann bis zu impro hin oder bis zum reduktionismus – man kann das alles heutzutage sozusagen sicher spielen, was dann sehr langweilig werden kann, weil du hast sozusagen eine sprachform entwickelt, und dann, gerade wenns noch aus der selben szene und kultur ist, du kannst dich hinsetzen auf die bühne, sagen, puh, mir ist heut speiübel, aber das bring ich hin, weil, das ist nicht anstrengend – das kann ich. und manchmal seh ich konzerte, die genau so sind und denk mir, schade eigentlich, weil spannender wärs jetzt gewesen, die hätten sich nicht auf das verlassen, was sicher ist, sondern hätten auch mal was probiert. und das ist wahrscheinlich dann mit einem japaner schwieriger oder mit einem afrikaner …

j
nö, ist nicht schwieriger, es ist einfach anders…

c
ja…. aber diesen konsens schon vorauszusetzen, ist wahrscheinlich anders.

j
ja..

c
also, lamngweilig kann es auch sein!

j
…langweilig kanns auch sein (c lachen), also, es gibt überhaupt keine garantie, auch zwei musiker die sich 100 jahre kennen, können immer wieder neue dinge entdecken, ich dachte jetzt einfach nur an diese tradition, aus der wir kommemn, die uns verbindet (c: klar…), die…

c
ja, da pflichte ich dir auch bei. das gibt es auf jeden fall.

m
wie funktioniert das dann in diesen situationen, zum beispiel mit japanern zu spielen…

j
das geht  genauso, man trifft auf… eigentlich geht es ganz genauso, ich spür bloß immer irgend ne andere, ne andere… es ist was anderes zu spüren für mich, ne andere haltung, ne andere herangehensweise… ich kann das schwer mit worten beschreiben.

t
ist da subkutan vielleicht ne andere gesetzmäßigkeit ein bißchen dahinmter…

j
zum beispiel, ja…

t
wenn man bei diesem bild von sprache bleibt, würde man vielleicht sagen: eine andere grammatik, oder so…

j
ja, vielleicht…

t
man erwartet ja im satz auch an der oder der stelle ein verb, oder ein substantiv oder einen artikel, und wenn man das jetzt  vielleicht mal so schräg auf die musik überträgt…

j.
ja, das ist ein gutes bild – können wir so stehen lassen.

t
wir sind schon beim nächsten punkt…
ihr wisst ja, es gab diese rezension zu eurem konzert von mir… weil ich eben euer duo ganz herausragend toll fand, und ich hab das auch so aus der erinnerung heraus geschrieben, mir live notizen gemacht, das war auch so ein bißchen ein risikospiel… im nachhinein denk ich, dass das so einigerma´ßen gepasst hat…

c
wann hast du denn dann geschrieben? wieviel später?

t
bestimmt 6, 8 wochen später… das mach ich auch lieber so, weil sonst bin ich zu nah bei meinen notizen und muß mich nicht so erinnern, das ist dann eher so eine billige erinnerung…
und ich wollte euch… die frage ist, ich bin ja mit technik oder musikwissenschaft gar nicht so vertraut, ich hab das ja so bildlich geschrieben, ich les einfach jedem von euch einen satz vor, ob ihr, wie das für euch so ist, wenn ihr musik spielt und dann schreibt jemand da drüber was, in so einer bildlichkeit, oder wie auch immer – ob ihr damit etwas anfangen könnt, ob ihr euch darin wiederfindet-
johannes: „bauer eröffnet leerlaufend-rauschend, nimmt… BIS …anmutenden einschüben“
und die frage wäre, genau, ob solche sachen wie, wenn man das dann einfach vergleicht, als hätte das etwas mit geschwätzsubstrat zu tun, oder geplapper, fernsehen… kannst du damit etwas anfangen?

j
ja. ich finds ne schöne umschreibung. ich beschäftige mich, oder hab mich schon immer viel mit so sprachrhythmen beschäftigt natürlich, ja, und ich mach das auch bewußt und hab da auch spaß dran, ich hab auch spaß an sprachrhythmen, auch wenn ich fremde sprachen höre, wie die so gehen, diese metrik, die da entsteht, da hör ich gerne zu, auch wenn ich kein wort verstehe – lacht-

t
das ist dir insofern also quasi dann nicht…

j
das ist mir überhaupt nicht fremd, was du da schreibst, nö nö, das kann man so sehen.

t
was hab ich für dich, christof… genau – „bestechend… bis … auftut“

c
ja, ich find das, ich find sowieso das ganze, was du geschrieben hast, gut und es gefällt mir und ich find auch, sozusagen, dass man was erfährt, wenn man das liest, aber – jetzt nicht mit dem text – aber ganz grundsätzlich hab ich oft ein problem mit solchen texten, die nämlich bildlich werden, weil ich eigentlich, nicht nur seit ich musik mach sondern vorher schon, nämlich wo ich nur musik gehört hab, immer mich darum bemüht hab, dass man musik quasi nicht mit einem anderen medium erklären muss, weil für mich immer wichtig war, dass die musik gehört wird und nicht, dass man sozusagen sagt… und was man dann auch in diesen ganzen videos sieht, die es weltweit überall gibt, dass man dann wolken sieht, mascinen sieht, raketen sieht, autos sieht, autobahnen sieht, äh, dass musik sozusagen immer so was anderes sein muß und nie sie selbst bleiben darf. dass man sozusagen, wenn mans beschreiben muß, irgendwas auch verbildlichen muß, ist mir klar, und ich find das gelingt dir, aber im grunde will ich sagen, dass mir das oft auch bei… musikern, musikerinnen auf der bühne, wenn die sozusagen zu dem, was sie an musik machen, auch noch darstellen, was sie gerade machen – also, wenn was klingt wie hundejaulen und dann macht die person auch noch das gesicht dazu des hundejaulenden, dann ist mir das oft so, dass ich mir denk, warum muß das jetzt sein – lass die leute denken, obs hundejaulen ist oder nicht, aber gib doch jetzt nicht auch noch dieses bild dazu, verschenk nicht sozusagen die musik an irgendwas, wo wir doch drum kämpfen, dass die musik wahrgenommen wird.

j
aber nun lässt seine beschreibung die bilder relativ offen, er macht das sehr geschickt, man hat immer noch auch als hörer und als leser die möglichkeit, sich eigene bilder zu bauen, wqas sehr wichtig ist.

c
das find ich auch, das mein ich mit, ich glaube, man erfährt was aus dem text, und kann sich sozusagen seine bilder dazu machen.

t
genau, ich hab halt gemeint, wenn ich so etwas schreibe, naja, dann schreibt man: du tust einen horizont auf, aber: warum ist das ein horizont, …

c
nee, aber, ein horizont ist ja jetzt auch nicht sowas…

j
es ist ein sehr abstrakter begrifff…

c
ja. also, eben, dann, der youtube-filmemacher, der dann den himmelhorizont hinstellt mit irgendwelchen wolken, grau, oder hell, oder stark bewölkt oder bedeckt, das ist mir dann eben zuviel.

t
ja, dann nur als letztes, zu diesem abgleich mit dieser sache… das ist auch so ein satz, wo ich mir im nachhinein denke, kann man das überhaupt so schreiben, ist das in ordnung… genau: „diese musik… sich ihre eigenen… BIS gesellschaftlich relevant“.
ich würd das, mit der hintersten faser ist ne zu drastische formulierung im nachhinein, aber mir geht’s um diese „dimension des auagetragenen erlebens“.

j
ja. natürlich… leben wir was aus. lacht

t
ja… ein austragen von erleben, dass eben nicht so ist, okay, jetzt betret ich nen konzertraum, und wie ich gestern die strasse langgelaufen bin oder heute am bahnsteig auf die s-bahn gewartet habe, hat jetzt damit überhaupt nichts mehr zu tun, so ist es nicht-

j
nee.

c
nein, auf keinen fall. drum ist ja auch zum beispiel, haben wir da unterschiedliche ansichten, ich spiel zum beispiel ungern mit leuten, die ich nicht kenne, weil ich eben gerne wo aufsetze, worüber ich mich unterhalten will, dir, johannes, ist das egal, was jetzt sozusagen eine andere herangehensweise ist, aber so sieht man, das sozusagen das ganze leben immer mit dabei ist.

t
genau, weil, das ist auch, was ich bei euch jedenfalls ich subjektiv sehr stark gespürt hab…
manchmal gibt’s dann auch musik, auch grad im improvisierten bereich, wie auch immer, da denk ich dann: ja, das ist jetzt genau das, aber da hat davor nichts schon angefangen, sozusagen, und es geht danach auch nicht weiter, auch nicht in mir, aber hier (bei ckjb) hab ich was erfahren, also tatsächlich auch als qualitative emotionale erfahrung, was ich nicht einfach in noten aufschreiben könnte und sagen, hier ist es, oder so, sondern was mich sehr berührt hat eben auch, ja… man sitzt unten in dem ausland raum, hat schön noch das fenster nach draußen, aber ich weiß genau, ich bin hier gleichzeitig auch da draußen, oder, platt gesagt… bei den nachrichten, oder wie auch immer. tendenziell…   

j
ja,ja… gut. das ist gut.

m
vielleicht kann ich dann weiterfragen… wir haben einige sachen schon angesprochen, diese improvisation, und, natürlich, also, diese echtzeitmusikszene, oder, ist immer mit improvisation assoziiert, aber ich höre ganz oft von musikern, die sagen, wir machen nicht nur improvisation, oder: das ist nicht das wesentliche, weil wir auch uns schon kennen und das ist nicht mehr diese freie oder ohne irgendwelche vor- , ich weiß nicht, wie man das sagt, aber vielleicht versteht ihr was ich meine – also, und dann diese, mich würde dann interessieren, was für einen musiker, der improvisiert – und was bedeutet für einen musiker dann arbeit in dem, also diese ad-hoc zusammentreffen mit anderen musikern, was bekommt man daraus und wie wichtig ist das für einen und was schafft man dann andererseits in diesen lange arbeitenden gruppen und, also,… improvisation oder, irgendwie fast komposition durch langes zusammenarbeiten?

j
hm… ja, ja…. das eigentliche problem ist ja, dass man sich selber gut kennt –lacht-, sich selbst am besten, und natürlich weiß ich genau, was ich tue, ich weiß absolut, was das ist, ja, ich kenn auch alle klänge, die ich zaubern kann, ganz selten gibt’s mal momente, wo mir klänge gelingen, die ich noch nicht kannte von mir selber, wo ich mich selber überraschen kann – aber es ist immer ein wichtiger punkt, diese eigenen gedanken, für mich ist das ein wichtiger punkt, in den kontext zu der musikalischen sprache anderer zu stellen, zu gucken, was sich daraus ergibt… das ist ne aufregende geschichte, praktisch, in einer gruppe von improviosierern, wo jeder seine sprache hat, da mit meiner sprache drin zu agieren, mit meiner vorstellung von posaunenklang eine posaunenstimme zu komponieren, im grunde genommen.
m
und dann in verschiedenen kombinationen, verschiedenen klängen..

j
ja, ich find das sehr aufregend, ich meine, ich würde gar nicht verschiedenen kängen (sagen)… dass jeder verschiedene klänge hat, anders… ist eigentlich klar- es hat jeder ne andere sprache, jeder andere bilder im kopf – und das aufeinandertreffen ist aufregend, find ich sehr aufregend.

m
und was entwickelt man dann in dieser, welche qualitäten entwickelt man dann, wenn man lange mit denselben leuten zusammenspielt…

j
naja, dann geht’s natürlich auch darum, sich immer wieder gegenseitig zu überraschen, -lacht-
was auch ne grpße herausfordereung ist, ja, ähm, zum einen hat man bestimmte dinge, worauf man sich verlassen kann, was wichtig sein kann – ich meine, das ist ja auch harte arbeit, anderthalb stunden musik zu erfinden an einem abend, ja, das ist ne lange zeit. zwei sets musik zu erfinden, und es ist immer gut, wenn man was hat, worauf man sich verlassen kann. das kann ein bißchen helfen, aber die überraschungsmomente sind eigentlich die wichtigeren.

t
kann ich mal platt sagen: im adhoc-ensemble lässt man sich überraschen und im länger eingespielten geformten kombinationen will man die anderen überraschen?

j
naja…, es ist beides, so leicht lässt sichs nicht sagen, aber es ist schon was spezielles in lang eingespielten gruppen, ähm… da gibt’s halt so ne art, selst wenn man die dinge, die sich eingespielt haben, nicht benutzt, ist ne art vertrauen da, das man mit musikern, die man nicht kennt, nicht haben kann. kompliziert, über musik zu reden,ja,  ich wird verrückt –lacht-

m
ja… also, ich hab mehrmals erfahren, dass die leute sich fast beleidigt fühlen, wenn man sie als „nur“ improvisatoren bezeichnet, nein, die sind nicht wir… sie betonen auch, oder mögen…  wie du auch gesagt hast, diese gruppen, die lange zusammen sind…

c
ich glaub Das ist ein Problem, das der johannes zum beispiel weniger hat als ich, oder sagen wir, ich glaub, das ist ein problem, das die echtzeitmusikszene, improvszene viel mehr betrifft, weil die sich einfach in eine sackgasse manövriert hat, was denen (zu Johannes)- sag ich jetzt mal, „denen“ nicht passiert ist. Die machen noch immer ihre Musik, die sie immer gemacht haben, die verändert sich ständig noch, trotzdem gehen sie sozusagen immer weiter dort, wo sie herkommen, während die improvmusik sich in eine sackgasse manövriert hat, und jetzt sozusagen nicht mehr dazu stehen kann, dass sie „nur improvisatoren“ sind, weil
eins, entweder sie wollen dann ernste musik sein, also sie sagen: nein, ich bin auch komponist, oder sie wollen, was weiß ich, sie gründen bands, die dann mehr in richtung pop gehen oder was auch immer, hiphop, alle möglichen formen und ich glaub sozusagen das ist auch ein unterschied, welche szene man da nimmt, wer dem widerspricht.
ich glaub dass im freejazz dieses problem weniger überhand genommen hat, dass die leute entsetzt sind, wenn du zu ihnen sagst: ihr seid improvisatoren. oder (zu johannes), du wärst nicht entsetzt, wenn man dich einen improvisator nennen würde ?
J
Überhaupt nicht! Ich lebe davon, warum soll ich entsetzt sein? –lachen-

c
nee, ich glaub auch, deswegen soz. dieses mit vorteile von länger zusammenarbeiten, ob das jetzt gleich komposition ist, ist eben auch unterschiedlich, ich glaub auch, dass das für ihn was anderes bedeutet als für mich.

j
ganz bestimmt. das hat für jeden von uns ne andere bedeutung.

c
ja. und, also, ich glaub halt, dass ich auch sozusagen irgendwann an den punkt gekommen bin, wo ich mir gedacht hab, jetzt find ich da nichts mehr, was mich weiter reizt, was nicht heißt, dass das, was ich dabei gelernt hab, nicht immens wichtig wär, aber jetzt muß ich dorthin gehen, wo ich sag, gut, das hab ich jetzt, und jetzt setze ich es woanders ein – also auch so wie er sagt: in einen anderen kontext bringen, das, was man kann. und ich kann mich erinnern, das war das gleiche wie wir begonnen haben mit computern musik zu machen, da haben alle geschrieen, das ist kein instrument, hört auf, das darf man nicht, das ist seelenlos und sonstwas, und wir sind aufgetreten als solisten, als computerquartette, als computerorchester und alles, bis endlich alle ruhig waren, (lacht) also immer lauter, lauter geworden, bis alle stumm waren, und dann hats auch eben verschiedene wege gegeben – mich hats dann nicht mehr intertessiert, und ich wollt dann wieder musiker sein, aber in dieser zeit war ich elektroniker – heute, wenn mir jemand sagt, du bist elektroniker, würd ich sagen: nein, weil das will ich nicht sein, ich will ein musiker sein wie alle anderen… also ich mein, klar sagt ein saxophonist nicht nein, ich bin nicht saxophonist – aber im prinzip hat er eben diese zuschreibung von „elektroniker“… die will ich gar nicht mehr haben. insofern interessierts mich auch weniger als früher, mit noch 7 anderen elektronikern zusammenzuspielen.

j
ich spiel auch nicht gern mit 7 posaunisten –alle lachen-

c
nee.., ich glaub auch, aber eine zeit hats dich wahrscheinlich mehr interessiert als jetzt, vielleicht…

j
du meinst, die elektroniker?

c
nein, das posaunenseptett!

j
das posaunenseptett…

c
weil, ich meine, es gab zum beispiel eine hochzeit der saxophonquartette, heutzutage will das kein mensch mehr hören.


j
ja… das stimmt, ja.das ist glaub ich auch aus der not entstanden, dass es so furchtbar viele saxophonisten gibt, ja –lacht-… die irgendwas mit sich anfangen mussten.
….jetzt sind wir irgendwo hängen geblieben. wo waren wir eigentlich?

Ach so, ich hab noch eine Frage – „improvszene“.. ist jetzt was bestimmtres gemeint, ich bin ein bißchen irritiert gewesen…

c
Damit …ich mein, ich weiß auch nicht wirklich, was es ist, aber es bezeichnet sich so oder bezeichnete sich so die berliner reduktionismusszene, die sich wieder so auch nicht bezeichnen wollte, dann war sie die echtzeitszene, dann war sie die, also, es gibt… aber ich glaub, wir wissen, was ich mein, oder, was wir meinen…

j
Ja, ich war nicht gsanz sicher… ich dachte, dass das^gemeint ist.

C
na, improv. (Punkt) war eben auch die absetzung zur improvisation, man wollte ja nicht improvisator sein, weil das war jazz, wir waren nicht jazz, wir waren improv.punkt. und…

j
Brauchst du fast keine Frage mehr stellen, oder? (Lachen…)
Ich hab das gar nicht mitgekriegt…
Das ist an mir vorbeigegangen, für mich war das immer, sind immer… alle Wege, improvisierte Musik zu spielen sind eigentlich das gleiche, es sind die gleichen Voraussetzungen, die alle haben, von peter brötzmann bis axel dörner, die sind alle in der gleichen situation auf der bühne.

c
ja, aber du kannst, du kannst sozusagen viele leute finden, die sagen: free jazz oder auch immer, welche form von jazz, ist veraltet, langweilig, was weiß ich, in dieser szene.

j
ja…

c
,,,wie du sicher auch in der free jazz szene leute finden wirst, die sagen, ach, was diese reduktionisten da machen, das hat ja nichts mit musik zu tun…

j
die gibt’s, ja. die gibt’s.

c
genau… insofern war da schon ein absetzen, ein sich absetzen wollen da. improv. war eben: wir sind nicht improvisation, wir sind improv.

t
sag mal ne jahreszahl zu improv.


c
das kann ich nicht genau sagen, weil sich die szenen da rumstreiten, bis heute noch, wers erfunden hat. und ich glaub, es hat niemand erfunden, das gabs in japan, das gabs in berlin, das gabs in wien auch und das gabs in london und das gabs überall. ich weiß nicht, es gibt natürlich szenen, die stärker wahrgenommen werden, weil, was weiß ich, berlin sicher nen vorteil hat, dadurch daß es mehr musiker sind, mehr platz ist, auch zum experimentieren und so weiter, aber, ich mein, diese onkei (???)-räume in japan waren genauso bedeutend, und wenn dann im wire irgendwann eine berlinplatte abgefeiert wurde, haben die wiener wieder gestunken, weiol sie gesagt haben, ach, das haben wir doch schon vor 15 jahren erledigt – und dann wurde immer radomal fati als gott  abgehandelt, da haben dann die berliner wieder gesagt, ach, dieser österreicher, der hat doch mit uns nichts zu tun, das ist ein freejazzer… also, so… es geht hin und her, und ich glaub, im endeffekt sollte man sich da gar nicht drum kümmern.

j
das hab ich gar nicht mitgekriegt – verrückt! (Lachen…)

t
super… genau, weil unsere frage wäre eigentlich gewesen, auf die ihr jetzt ja schon geantwortet habt, naja, hier, du, johannes, auch der generation nach oder auch der szene nach mit leuten, mit denen du früher auch schon viel gespielt hast, „der free-jazzer“, , und dort christof, der echtzeitmusiker, hätte ich es jetzt mal im sinne von dem buchtitel gesagt – spielen solche hintergründe oder identifikationen für euch eine rolle, wenn ihr zusammen spielt oder euch einander auch als zuhörer zuhört. ich finde, ihr habt das schön beantwortet-

j
gut…

m
die „szene“-sache…

t
eine frage, zu der ihr sicher beide was zu sagen habt, die jetzt aber erstmal an dich geht, johannes, als den älteren, und wie gesagt, klischee „free-jazz-ecke“…

j
bin ich älter als du?

c
ein bißchen (lachen)

t
…. und dann wurde gesagt, also, im dunstkreis oder hintergrund von dem buch schwebt.. okay, wir wollen differenzieren, eine bestandsaufnahme machen… seit anfang, mitte der neunziger, sagt man, gibt’s hier eben ne… hat sich eben ne neue szene herauskristallisiert, die nich free jazz sein wollte, die auch nicht neue musik sein wollte, die nicht noise-elektronik sein wollte, sondern dort, man könnte sagen „improv.“, neu ansetzen wollte und die aus den kontexten, aus denen die herkommen, jeweils damit nicht zufrieden waren und, ähm, genau – wir haben eben dann auch gehört, die free jazz leute haben sich dafür ja eigentlich nicht so interessiert, aber doch, ja, ok, der johannes bauer war doch öfters mal auf nem konzert, hieß es da, hat auch hier und da mal mitgespielt… im anorak, oder kulturhaus peter edel… wie hast du das erlebt damals mitte der neinziger, damals waren die leute, diese neue szene quasi, ja etwa mitte zwanzig, du warst dann schon zehn jahre älter….

j
ja… ich hab mich erst,… prinzipiell freu ich mich immer über alles was passiert, ja, im bezug auf improvisierte musik, egal, was daraus wird, aber ich hab, ich fands einfach gut, dass es spieler gibt, die sich damit beschäftigen, es hat mich einfach gefreut, und ich fands auch immer wichtig, mit denen zu spielen, und hinzugehen um zu gucken, was die denn da so tun.
ich sehe keine großen unterschiede… das ist diese musik, die in den sechziger jahren als free jazz entstanden ist, die hat diesen riesen-raum aufgemacht für musiker aller kulturen, sich darin zu bewegen, und das tun sie – jeder auf seine weise, und es ist das gleiche arbeitsprinzip auf der bühne, für alle, die improvisationsmusik spielen, vom free jazz bis zum reduktionismus, sagen wirs so – wenn das denn der exttremste unterschied ist, dens da gibt.. ich hab keine ahnung.

m
ich hab auch gehört, zum beispiel… als die ersten angefangen haben, diese wirklich reduzierte, also, wirklich reduziert zu spielen – dass die leute wirklich überrascjht waren, was ist denn jetzt, was ist das, soll das so sein, oder… was passiert jetzt in diesem konzert… dass es eine zeit gebraucht hat, dass sich diese spielweise etabliert- und habt ihr diese anfänge erlebt,…

j
ich hab so ne musik schon ende der 70er jahre gehört. da gabs die englische gruppe amm und es gab mal ein wunderbares quartett von phil saxman mit… pass ioch jetzt gut auf… mark sherrick, baby sommer… wer war da noch dabei… die haben sowas in den 70er jahren schon gespielt, so ne musik… da war noch ein vierter dabei… fred van hove, glaub ich. also, für mich war das überhaupt nix neues.

m
warum gibt’s dann, oder gabs dann so einen großen hype um diesen ansatz,  „neuen“ ansatz…
also, vielleicht, wie… die leute, die daran beteiligt waren, denken, dass sie was wirklich neues oder was total spannendes gemacht haben… und ich fand es auch… ich hab mich immer gefragt, ja, das war schon früher auch, gabs solche ansätze, und die ideen, die dahinterstehen sind auch ganz ähnlich und… liegt es daran, dass es nicht in diesem sinne… dieses wissen nicht so etabliert war oder irgendwo aufgeschrieben war, und dann kamen die leute von verschiedenen ecken oder hintergründen, und haben das wissen nicht wirklich geteilt, und… das wissen… in diesen offiziellen bereichen, z.b. musikgeschichte, du weißt, also, du gehst in die schule und du lernst, was damals schon gemacht wurde und dann baust du darauf auf. aber wenn du ohne diesen hintergrund kommst, dann kannst du vielleicht etwas wieder machen, was du willst, aber du weißt nicht, zum beispiel, dass es das schon gab.

c
ja.. wobei, ich meine, das mit dem wann-so-etwas-beginnt ist sowieso immer schwierig, weil, …zum beispiel diese keith rowe- geschichte, der angeblich der erste war, der tabletop-gitarre gespielt hat, und dann hat doch der felix klopotek ein buch darüber  geschrieben, mit dem interview, wo er sagt, er war der erste, und wo immer der klopotek dann auftritt und dieses zitat vorliest, steht jemand im publikum auf und sagt: tschuldigung, aber ich hab schon in demn blablabla-jahren in dänemark, in china, in was-weiß-ich-wo einen gesehen, der das gemacht hat… also, diese urheberschaften, das ist sowieso ein übel…. und ich mein, andererseits, wenn du sagst, amm hast du schon damals gehört, dann stimmt das natürlich, und, ich meine, amm ist vermutlich eine der frühesten gruppen, die so etwas gespielt haben, worauf man sich heute aus der szene noch beziehen kann, aber natürlich war amm völlig aus der zeit damals, die haben es extrem schwer gehabt, und da kann man sich auch jetzt so freuen, dass sie inzwischen bekannt sind, die habens sehr schwer gehabt, die haben was gemacht, was niemand anderer gemacht hat, was auch oft niemand hören wollte… und, sozusagen, man kann jetzt nicht sagen, „das“ gabs schon- weil, da gabs eine gruppe, oder von mir aus, gabs 5 gruppen, aber „das“ gabs als bewegung noch nicht… so wie free jazz, vermutlich findet man leute, dies in den 50er jahren gemacht haben, aber wann kann man dann davon sprechen, dass „freejazz“ sozusagen auch als manifestation wahrgenommen wurde… un das war ja dann frühestens ende der 60er jahre, und da ist ein langer weg sozusagen von leuten die vorkämpfer sind, die sich durchbeißen, die nebenher taxi fahren und sonstwas, bevor dann andere kommen und sagen, gut, wir sind jetzt die künstler, wir machen das jetzt hauptberuflich… soweit muß die zeit immer erst kommen für musiken, für jede bewegung… vom hip-hop bis zum reduktionismus.

j
das kann er wunderbar erklären alles (lacht), christof – danke!

t
genau… gestern abend hab ich noch mit tobi drüber gesprochen, und irgendwann, also, das sind jetzt 3, 4 sachen vom hörensagen, ja, hm, weil, das buch zielt auf die geschichte mitte der neunziger, also, echtzeitmusik etc.pp, in berlin – da ist mir natürlich aufgefallen, irgendwie, naja, gut, das sind, zumindest viele von den leuten, ja auch zugezogene gewesen, das war diese neue entwicklung in den 90ern in berlin… jetzt hab ich über 5 ecken, also, das hörensagen geht so: in ostberlin in den 80er jahren oder überhaupt, vielleicht auch in den anderen städten, ich weiß nicht, wo du da genau gespielt und gelebt hast etc., dass gerade freejazz konzerte orte waren, wo leute, die eben ne radikal andere ästhetik sehen wollten, hören wollten, äh, die tatsächlich irgendwas nichtsubsumierbares darstellt, sei es jetzt für den staat oder für kulturindustrie oder wie auch immer, dass die zu freejazz-konzerten gegangen sind und dass das dort ne besondere stimmung gewesen sei und… da waren eben auch formation erwähnt, wo du mitspielst, dein name tauchte in dem zusammemnhang auf…

j
ja, die beschreibung ist ganz gut… die leute gingen aus neugierde hin, was da denn passiert, es ging schon um ne andere art von musik und auch dieses miterleben vor allen dingen von ner anderen art von umgang miteinander, den die musiker auf der bühne da zelebriert haben, ähm, das war sehr anders als sonst in diesem staat.
und deswegen hatten wir auch das publikum, denk ich schon, das ist einer der gründe.
moment, jetzt… du willst noch auf etwas anderes hinaus…?

t
eigentlich nicht so wirklich… vielleicht, wenn du das noch ein bißchen beschreiben kannst…

j
ja.. es gab da schon auch verschiedene bands, die ganz verschieden gespielt haben… dieses quartett von baby sommer, was ich da vorhin erwähnt hab… baby war ja auch hier, und, da gabs schon mehrere… und, dann gabs auch, bei den sehr jungen musikern, also damals jungen musikern in meinem alter… da gabs verschiedene wege auch, die gegangen worden sind, ja… da gabs in dresden ne band, dresdener musikbrigade, dies ganz anders gemacht hat als die gruppe evidence in cottbus, und… ich hatte hier ne band mit christof winkel und heiner reinhard…

t
namens?

j
die hatte keinen namen, ähh,…

c
wer war evidence?

j
evidenve war dietmar diesner und äh, carlo indeis, der jetzt komponist ist…

c
und die ersten…

j
…dredner musikbrigade…

c
wer waren die…

j
das war gottfried rösler, ein schlagzeuger, hansi noack, violine, und lothar fiedler, gitarre.

c
ah, der lothar…

t
un du sagst, die haben das ganz anders gemacht…

j
ja… wir sind ganz verschiedene wege gegangen, wir haben uns ganz… auch andere wege, als unsere älteren kollegen gegangen sind, wir haben da verschiedenes ausprobiert – wir haben UNS ausprobiert…

t
… also etwa ein anderes klangbild, als man jetzt typischerweise dem feejazz zuordnen würde, zum beispiel…?

j
ja, durchaus, also, die dinge, die wir probiert haben, hier in berlin, waren… das war so ne geräuschmusik auch, aber auf höchster intensität, wir haben bewusst alles weggelassen, was an jazz erinnern könnte, oder an sonst irgendwas überhaupt erinnerte… wir habens versucht,… wir sind nicht sehr weit gekommen, ja, ich… (lacht)

c
aber, jetzt, interessant ist doch schon, dass du sozusagen da aus einer szene kommst, die ja staatlich gefördert wurde…


j
äh… ja, jein. jein, am anfang wurde sie nicht staatlicjh gefördert, das war im grunde genommen ne nischenkultur, die sich dort breit gemacht hat, wo der staat nicht aufgepaßt hat… am anfang gabs keine förderung. das einzige, was man natürlich sagen muß, also, in jedes kulturhaus, alle diese… gabs an jeder ecke irgendwelche jungendklubs, studentenklubs, die waren alle sehr gut versorgt mit geld, und  wenn in einem dieser häuser einer saß, der unsere musik gemocht hat, denn hat der das einfach gemacht – mit diesem geld, das natürlich vom staat kam.

c
… und es gab auch, zum beispiel, amiga, der ganz viele jazzplatten auch…

j
-auch alles erst später, das war alles ein harter kampf, das gabs erst später… und später gabs sogar richtige subventionen, ende der achtziger jahre für bestimmte projekte – das gabs, aber das hat lang gedaurt. am anfang hat sich das alles aus sich selbst ()

m
also, das hat der ddr-staat gefördert, diese musik?

c
ja, ich mein, das glaub ich gar nicht, dass man sagen muss, dass das nächstenliebe war des staates, sondern das war ja vermutlich auch schon zum teil einfach ideologie, dass der freejazz sozusagen der feind des imperialisten war und jetzt hat man sozusagen diese musik zugelassen im gegensatz zu anderen musiken…

t
ist das so, ja? also, wurde das so gesehen und bewertet sozusagen?

j
ich hab grad nen frosch im hals… das ist ganz blöd, bei nem interview! (lachen)

t
das wird nicht im radio gesendet, wir verschriftlichen das – insofern, der frosch taucht nicht auf da drin.

m
also, ich kann nur kurz… zum beispiel, in kroatien - ich komme aus kroatien – und da hatten wir, ab… 61 wurde die musikbiennale zagreb gegründet, von mirko kerenen, ein kroatischer komponist, und das hatte am anfang sehr sehr viel geld- also, hatte die ganze zeit sehr viel geld, weil die stadt wollte das fördern, um den westen, also, zu… ja, jugoslawien war damals… hatte ein bißchen einen anderen status als die ddr, und damit wollten sie irgendwie sich zeigen, ja, wir fördern neue kunst und alles, und… gab es in diesem sinne auch hier interesse für die freejazz.szene… ich habe das nicht so richtig verstanden.

j
ähm… ja, es gab.. ach gott! wie war das denn alles…-  es gab irgendwann einen punkt, da wurde das schon gefördert, es gab jazzfestivals überall im land… und  das waren natürlich alles freejazz-festivals, weil alle musiker, die hier im land musik gemacht haben, die jazz-musiker, nur free-jazz gespielt haben… es gab sonst gar nix, außer dixieland und einer einzigen rock-jatz band… am anfang. und später gabs dann noch ne vielfalt, das ist dann,  in den achtziger jahren gabs auch verschiedene andere richtungen, aber in den 70er jahren gabs nur freejazz und dixieland, das ist ein bissl albern, aber das ist wahr – und eine rockjazz-band, der günter fischer… war immer eisern, hat den rockjazz hochgehalten…

aber wie das vom staat ideologisch bewertet worden ist, weiß ich eigentlich überhaupt nicht, das war alles sehr undurchsichtig, ja… auf alle fälle haben die uns machen lassen vor allem deshalb, weil wir kaum texte benutzt haben.. bei texten waren sie sehr empfindlich.

t
ja, stimmt, ok… das leuchtet sofort ein, weil in dem kontext von diesem hörensagen her, da gabs mal eine radiosendung, die nicht ich, sondern jeman anders gehört hat…  da hieß es dann, dass viele das eben, zum beispiel, es gab ja auch punkrock, auch in ostberlin usw.,

j
…ja, aber auch erst später. ja, ist alles in den achtziger jahren.

t
 in der zweiten hälfte der achtziger, würdest du dann sagen…

j
ja…

t
und da hieß es dann, ja, der hatte ja durchaus probleme dann, mit dem staat, einzelne musikerinnen und musiker… aber dass es dann eben hieß, ja, aber eigentlich noch krasser sozusagen und noch radikaler als die punkleute war der freejazz… und da seien dann gezielt manche leute auch hingegangen, und haben gesagt, das ist doch viel „aufregender“, sozusagen…

c
der punkrock war ja sozusagen in den augen der kommunistischen ideologie auch westlich-dekadent, während ja eben der free-jazz schon eine antiimperialistische haltung gehabt hat.
und da war sicher auch ein unterschied, sozusagen, ounkt –konnte man nicht zulassen.

j
ja, aber, die haben die rocker auch… alle rocker hatten probleme mit ihren texten, selbst die schlagersänger hatten probleme mit ihren texten, es war ein endloses, ein kampf, ja,… das war blöd.
(lachen)

t
mir ist heute was eingefallen, text ist eine gute überleitung, und zwar hab ich früher schon mal… das it ein gedicht aus dem spätwerk von paul celan, und ich hab vor jahren, wie gesagt.. also, wir wollen hier jetzt nicht das gedicht interpretieren oder dem gerecht zu werden oder so ist jetzt nicht das thema… aber, ich mußte da früher schon mal, ich weiß nicht wie rum, entweder mußt ich bei nem konzert, das du gespielt hast, an das gedicht denken, oder ich mußte bei dem gedicht an dein posaunenspiel denken, wie auch immer… ich meine, du machst ja, du spielst die posaune… pustest in de posaune, betätigst diesen hebel, ich weiß ja nicht mal wie der heißt…


j
…zug heißt das, ja… richtig, ich blas hinten rein und mach hin und her… (lachen)

t
ja, also, soviel zu… das ist, was ich sehe, und dann agierst du ja, auch, das geht so ineinander über, mit dem mund… manchmal, ich finde, das hat so was wunderbares comicmäßiges wie dieses tschük.tschuk-tschak-deeng, wie diese schrift in den comics in den sprechblasen immer ist, und ähm… ich find, das sind eben keine gegensätze… man könnte ja auch denken, ah, er spielt posaune, und dann macht er quasi nebenher auch noch was anderes, er macht da sachen, die… ganz verschieden nuancen von stammeln und meckern haben, und… mit der stimme, wie auch immer- und ich find, das ist kein gegensatz, sondern beides unterschiedliche grade auf der gleichen skala desselben ausdrucks… würdest du das auch so sehen

j
ja. das sind unterschiedliche…, ..einfach verschiedene klangnuancen der gleichen idee.
so seh ich das für mich. ich denk nicht an irgendwelche tiere, wenns nach hühnern klingt… mir geht’s einfach um ne klangänderung, auch einfach… varianten… klangvielfalt.

j
das ist sehr schön, das gefällt mir gut, kann ich das behalten..

… ist das das komplette gedicht oder nur ein auszug?

t
das ist das komplette gedicht…

j
…wunderschön. die fackelhöhe ist sehr seltsam, ja…

t
(zitiert gedicht).
genau, das ist das gedicht… und ich fand nämlich, was ich…. eben nicht bei jedem posaunenspiel, sondern für deines besonders charakteristisch finde, ist, dass es… oft so was hat, auch dadurch, dass du denn eben auch vokal arbeitest… wenn ich jetzt mal so als methathema „artikulation“, einfach mal so als stichpunkt… und ich finde, das hat oft was auch, ich weiß noch, wie du am ende von dem konzert zum beispiel noch so ne geste gemacht hast... weil, ich sag mal so, in dem gedicht hier, die posaunenstelle, ich stell mir da was… ich glaub, hier geht’s nicht um die posaune in irgendwelchen mythologischen kontexten oder so, sondern es geht um diesen effekt, fast wie etwas vulkanisches, um „ausstoß“… pahh… (j_:ja könnte sein… ja…)  „raus“… und, ähm, ich mein das jetzt nicht psychologiscjh oder so, sondern schon ästhetisch, und das ist bei dir eben oft auch durch dieses rein und raus… auch etwa mit dem chicago tentet war das mal, da hast du ne wqeile gar nichs gespielt, und dannn kommst du plötzlich mit einem pahmm, ja.., also, es geht um ein heraushauen, irgendetwas zu veräußern…auch ne distanz hinzu  zu gewinnen, vielleicht…

j
das ist jetzt ganz schwer, wenn ich über meine eigenen dinge sprechen soll, aber du hast das schon alles ganz gut formuliert, du kannst das alles so aufschreiben … (lacht)…

das gedicht gefällt mir gut, es ist sehr geheimnisvoll. es hat was sehr geheimnisvolles.

t
auch dieses hör dich ein mit dem mund war was, was ich dann…
weil die posaune auch was ist, und besonders so, charakteristisch, wie du spielst, die hereinplatzen kann, und etwas heraustoßen kann…

j
ja, aber, natürlich… natürlich denk ich über posaune nach, was sie alles kann und wofür sie auch, wo sie herkommt, von den fanfareninstrumenten natürlich, diese signalhaftigkeit ist da, und dann ist sie gleichzeitig ein sehr weiches instrument, in der klassischen literatur hat sie immer irgendwelche mittelstimmen, eigentlich so gut wie nie ne solistische stelle, da gibt’s ganz wenige, die kannst du in einem einzigen notenheft zusammenschreiben, ja, das ist immer irgend ne stimme dazwischen. im dixieland wird das ganz besonders deutlich, immer diese mittel (…summt einen melodieduktus an…), diese, …in fast aller musik. und das benutz ich genauso wie die fanfarenhaftigkeit, …und dann gabs natürlich jericho, nicht zu vergessen… ist natürlich quatsch, damals gabs keine posaunen, die haben das widderhorn schofar geblasen, aber luther wollte nicht, dass es so jüdisch klingt in seiner bibel, und hat einfsch die posaune genommen, weil die gerade die erfindung seiner zeit war, äh… trotzdem sind alle posaunisten stolz auf jericho.
(lachen)

t
alle posaunisten sind stolz auf jericho…

c
ja, und alle elektroniker auf silicon valley! prost…

-lachen-

>
m

eigentlich habt ihr schon viel, so, spontan angesprochen die sachen und beantwortet…

zum beispiel dieser begriff musikalische sprache, „alle entwickeln ihre eigene musikalische sprache“…und dann diese musikalischen sprachen… das hat tobias, weil er schriftsteller ist, wie sagt man… (t: ich schreibe texte, das stimmt, auf jeden fall-) – gedichte, dichter bist du…

dann hat sich diese… du hast die sachen mit diesen begriffen so erklärt, text, versciedenen sprachen, (t:… grammatik… weil ich da intuitiv schnell zu begriffen komme… deswegen hab ich das…)

j
ich glaube, dass wir das mit diesen persönlichen sprachen, die wir alle haben, musikalischen sprächen, das wär glaub ich ohne die entwicklung des jazz gar nicht möglich gewesen. es gab ja improvisation schon immer in europa, wo… auch in der komponierten musik gabs immer auch improvisierte teile, am anfang jedenfalls, da wurde aber ganz anders rangegangen, da hat man funktional in diesen stücken… da gings nicht um die persönlichkeit, oder weniger – der solist konnte sich ausdrücken, aber auch im orchester wurde improvisiert, und da gings um andere dinge – das haben wir ein bißchen dem jazz zu verdanken, diese… dass du einen hörst und du weißt sofort nach drei tönen, wers ist, ja... das gibt’s auch in der klassik, ich will jetzt kein böses wort sagen, aber es ist ein wichtiger punkt, den wir vom jazz übernommen haben.
gefährlich, sowas zu sagen, ja…

c
kommt drauf an, wers liest!

(lachen…)

j
…ja..

m
ich habe mich auch gefragt, einige, nicht alle, einige spielen in derselben woche, sagen wir, total verschiedene sachen… jazz, dann improv…. und dann, wie funktioniert das dann mit der eigenen sprache?

j
es gibt ein paar musiker, die das wirklich können, barry guy zum beispiel, der genausogut in nem barockensemble funktioniert und das auch jahrelang gemacht hat, und sogar ganz wichtig war dabei, und der durchaus auch ne eigene sprache hat. das können nicht viele, ja, das ist mühsam, das beides zu haben.

m
also, man bleibt mit seiner eigenen sprache und dann in verschiedenen, also, mit anderen musikern, also mit anderen sprachen, kommuniziert man irgendwie aber verändert sich nicht oder passt sich nicht an in diesem sinne, dass man sich (grundsätzlich?) verändert in jedem zusammenspiel..

j
doch, das ist schon… natürlich kann ich jetzt nur von mir sprechen, verhalt ich mich in den verschiedenen gruppen anders, also, es geht ja auch um einen gruppenklang, den man bedient, und da gibt’s schon schwerpunkte. es gibt bands, wo ich andere… wo ich bestimmte dinge nicht benutze, und das ist aber deswegen genauso meine sprache.

m
und diese zusammensetzung von verschiedenen leuten… da denkt man nicht wie in der klassischen musik oder so, wir brauchen hier eine posaune, eine trompete, ein…

j
…nein, das spielt überhaupt keine rolle. es geht um die persönlichkeit, ich spiele mit persönlichkeiten, musikalischen, das ist wichtig. und was die für ein instrument spielen, spielt überhaupt keine rolle. (zu christof…) deshalb – darfs auch ein computer sein!

(lachen)

c
dankeschön.

m
aber mit klang hat es schon zu tun?

j
mit klang hat es zu tun, natürlich. es geht um klang. also, meinetwegen könnt er (c) auch akkordeon spielen…

(lachen)

c
aber deswegen veränderst du dann auch sozusagen deine sprache im kontext…

j
ja…

c
also, du nimmst… oder, sagen wir, du benutzt andere teile deiner… andere ausdrücke.
…aber natürlich benutzt du nur sachen, die da sind in deinem vokabular. ab und zu mal erfindet man was. oder, findet man was – erfinden kann man eh nichts.

j
seltene glückliche momente, ja…

(lachen)

…das kommt meistens von selbst, man kann auch nicht immer für alles etwas.

m
ich hab soviele blöde fragen…

j
blöde fragen! okay, nächste rubrik - blöde fragen.
(lacht)

m
naja, zum beispiel, diese… arbeitet ihr überhaupt mit diesen… improvisationen, die vorher schon besprochen wurden – also, jetzt machen wir 5 minuten so, dann so und so…
alles wie das funktioniert

t
du meinst, davor so ne absprache hinsichtlich struktur…

m
ja…

j
das gibt’s. das gibt’s durchaus, ich meine, ich spiele auch in, z.b. im barry guy new orchester, der komponiert richtig teile, die… das ist relativ festgelegt. ntürlich kann ich da sehr frei drin agieren…
aber auch solche ganz einfachen strukturen haben wir schon immer benutzt…

m
ist das dann leichter, zu spielen..?

j
man hat die verantwortung für die form nicht. andererseits hat man die verantwortung, diese form zu erfüllen.

c
ich mach das auch ab und zu, also, gerade… ich hab oft erlebt, dass es sinn macht, in größeren, bunt zusammengewürfelten ensembles, dass man gewisse vorgaben hat, damits nicht völlig beliebig wird.

m
ist es ganz selten, dass man sich irgendwie so einenander, so fühlt… zum beispiel wie hier in diesem stück, das kann man schon hören, dass ihr euch so gut versteht und dass sich zusammmen was entwickeln kann.aber das ist… also, das ist eine ausnahme – was ich auch oft… von allen sachen, die ich so höre, das ist nicht immer so. das ist ganz selten so, dass das passiert, so ganz von sich selbst, dass du dich so mit jemandem verstehen kannst, dass das wirklich so gelingt am ende.

c
ja… das ist  auch das risiko von improvisation.

m
… und deswegen denk ich mir immer, dass es dann… es muss irgendwie leichter sein, wenn man ein bißchen vorher darüber spricht, und dann, wenn man sich auf etwas…

j
nicht unbedingt leichter. es ist einfach ne andere art von herausforderung, die man hat, wenn eine struktur festgelegt ist. das heißt nicht, dass es leichter ist.

m
hast du noch was… habt ihr noch was…

j
ihr habt jetzt richtig viel! das ding ist doch bald voll, oder…

(lachen)

m
wollen wir dann…

t
ja, alles was sehr schön ist, muss irgendwann ein ende haben…

alle: VIELEN DANK



 

Dienstag, 3. Mai 2016

Workshop and Concert with the Prag Improvisation Orchestra (P.I.O.) in Prague

Workshop and Concert with the Prag Improvisation Orchestra (P.I.O.) in Prague, Studio Alta @
VS. Interpretation Festival 2016

28.04. 2016 - 31.04.2016


Prague Improvisation Orchestra (P.I.O.) & Guests with Christof Kurzmann - Crossing Borders:
1.) War; 2.) Gathering & Departure; 3.) The Sea; 4.) Land; 5.) The Fence/The Wall; 6.) Individuals; 7.) Welcome?